Stillgestanden: Wenn das Pferd nicht stillstehen kann

Stillstehen Pferd

Pferde stehen von Natur aus eher weniger gern still. Stillstehen tut ein Pferd in der Natur nur dann, wenn es döst. Das dann aber immer mit aktiven Sinnen: Es muss ja jederzeit entdecken können, wenn sich ein Raubtier anschleicht, sodass es sofort flüchten kann.

Diese natürlichen Instinkte haben unsere domestizierten Pferde nie verloren. Sie haben nur über die Zeit gelernt, damit umzugehen – mal mehr, mal weniger gut.

Dennoch muss ein domestiziertes Pferd in unserem Stallalltag ruhig stehenbleiben können. Wie lernt jetzt aber dein Pferd, dass es am Putz- oder Anbindeplatz ruhig stehenbleiben kann?

Finde heraus, warum dein Pferd nicht stillstehen kann

Oft konzentrieren wir uns zu sehr darauf, was nicht funktioniert anstatt darauf, warum etwas nicht funktioniert. Oft ist es gerade beim ruhig Stehenbleiben auch so: Das Pferd wird gerügt, wenn es herumzappelt und seine vier Beine nicht stillhalten kann. Dabei wird oft der Grund übersehen: Vielleicht hat das Pferd schlicht und einfach Hunger oder Durst oder muss aufs Klo (hat Harndrang). Es kann also aktuell ganz dringende Grundbedürfnisse nicht erfüllen.

Es können allerdings auch ganz andere Gründe sein: Das Pferd kann nervös sein, weil es am Putzplatz seine Herdenkollegen nicht sehen kann. Das allein kann zu einer Stresssituation führen und Pferde unruhig werden lassen.

Vielleicht ist auch viel zu viel Trubel am Putzplatz: Wenn ständig Kinder herumrennen, Menschen hin- und herhuschen und womöglich noch irgendwo ein Traktor herumfährt, können sensible Pferde einfach nicht abschalten und entspannen …

Nimm dir die Zeit, die es braucht

Stress, Hektik, Zeitmangel sind in unserem Alltagsleben fast schon alltägliche Dinge. Im Leben unserer Pferde gibt es das aber nicht: Pferde leben im Hier und Jetzt. Sie denken nicht Tage voraus und erschrecken dann, was sie nicht noch alles erledigen müssen. Deshalb üben Pferde auch so eine starke Anziehung auf uns Menschen aus: Wir können von ihnen lernen, im Hier und Jetzt zu sein, den Moment zu genießen und mal alles Alltägliche von uns fallen zu lassen. Das fällt uns natürlich schwer – nicht immer können wir allen Stress von uns streifen wie einen lästigen Mantel und im Stall ganz entspannt und ruhig sein.

Pferde haben sehr sensible Antennen für genau diese Stimmungen in uns: Deshalb müssen wir uns nicht wundern, wenn auch Pferde immer öfter nervös und unruhig sind- weil wir es ja manchmal unbewusst auch ständig sind.

 

Wichtig ist: Nimm dir Zeit für dein Pferd. Versuche dich mit all deinen Sinnen auf es zu konzentrieren: Sei bei ihm, wenn du es putzt. Quatsche nicht ständig mit einer Stallkollegin oder telefoniere nebenher noch. Das ist unhöflich – kein Wunder, wenn dein Pferd sich dann deine Aufmerksamkeit zurückholen will und beginnt zu tänzeln oder zu scharren: Es will nur deine Aufmerksamkeit!

Diese Art der Aufmerksamkeit, dieses voll und ganz im Hier und Jetzt zu sein, nennt man auch Achtsamkeit. Dazu habe ich ein inspirierendes Interview mit der lieben Bibi Degn, einer Tellington-Instruktorin, geführt, das du hier nachlesen kannst: Das Geheimrezept für eine innigere Beziehung zu deinem Pferd

Verändere die Körperhaltung deines Pferdes, damit es stillstehen KANN

Pferde, die nicht ruhig stehenbleiben können, haben eine andere Körperhaltung als entspannte Pferde:

  • Zappelphilipp-Pferde sind meist sehr vorhandlastig und stehen nicht ausbalanciert auf allen vier Beinen.
  • Ihre Kopfhaltung ist sehr hoch, um ihre Umgebung ständig abzuchecken.
  • Ihre Muskeln sind angespannt.
Ist der Kopf deines Pferdes ständig in der Höhe, lerne ihm das „Kopfsenken“. Dazu habe ich ein schönes You-Tuve-Video gedreht, das du hier findest. You-Tube-Video zum „Kopfsenken“
Ist der Kopf tiefer als Widerristhöhe, löst das im Nervensystem des Pferdes die Hormone von Entspannung und Ruhe aus – der Kopf ist nämlich immer dann tief, wenn es frisst oder döst.
 
Neigt dein Pferd zu einem hohen Muskeltonus, hilf ihm mit verschiedenen Körperarbeitstechniken, zum Beispiel dem „Lecken der Kuhzunge“ aus der Tellington-Arbeit“, einer Massagedecke oder einem Solarium, seine Muskeln zu entspannen. Ein angespanntes und verspanntes Pferd fühlt sich ständig unwohl in seiner Haut. Es fühlt sich ständig so, als müsste es „aus der Haut fahren“. Dir geht es wahrscheinlich nicht besser: Fühlst du dich unwohl und hast gar Schmerzen, ist ruhiges Liegen auf der Couch nicht immer das angenehmste …
 

Verbessere die Balance deines Pferdes

Schlecht ausbalancierte, sehr vorhandlastige Pferde tun sich prinzipiell schwer, ruhig stehenzubleiben. Sie kämpfen ständig mit dem Drang, sich neu ausbalancieren zu müssen. Beobachte mal, wie dein Pferd dasteht:

  • Sind beide Vorderbeine auf einer Linie oder steht ein Bein immer weiter vorne?
  • Wie steht es auf seinen Hinterbeinen?
  • Stellt es ein Bein immer weit nach hinten hinaus oder zieht es eines immer auffällig unter seinen Körper?

Ein ausbalanciertes Pferd sollte in Ruhe auf allen vier Beinen parallel zueinander stehen können.

Um einem Pferd das Stillstehen zu erleichtern, versuch mal deinem Pferd beizubringen, beim Stehen sein Gewicht zwischen Vorhand und Hinterhand zu verschieben. Tippe es dazu vorne an der Brust an, um es anzuregen sein Gewicht nach hinten zu verlagern.

Dein Pferd kann auch lernen, sein Gewicht von einer Seite auf die andere zu verlagern, also von einem Bein auf das andere. Schaukle dazu ganz leicht die Hüften und den Widerrist deines Pferdes hin und
her: So lernt es, sich besser auszubalancieren und auf allen vier Beinen gleichzeitig zu stehen.

Du kannst auch sogenannte Balance-Pads verwenden, um den Gleichtgewichtssinn deines Pferdes zu verbessern. Meine Tellington-Kollegin Anke Recktenwald gibt dazu spezielle Kurse: Balance-Pads für Pferde

Kontrolliere die Anbindemöglichkeit

Es müssen nicht immer die großen Veränderungen sein, auch kleine Details können einen großen Unterschied machen. Achte beim Anbinden am Putzplatz darauf, dass du dein Pferd nicht zu kurz und auch nicht zu lang anbindest: Zu kurz angebunden, beengst du dein Pferd in seiner natürlichen Kopfhaltung. Nur wenn es seinen Kopf ausbalanciert frei tragen kann, kann es auch bequem und ruhig stehen.

Ist ein Pferd zu lang angebunden, hat es natürlich auch alle Möglichkeiten, sich Ablenkung zu suchen 😉 Mal ein Heukrümel da am Boden, mal dort an der Holzwand ein wenig knabbern.

Prüfe auch, ob der Putzplatz auch wirklich gut geeignet ist:

Ist er eben und rutschfest, ist er nicht zu dunkel?

Versuche es deinem Pferd da, wo es ruhig stehenbleiben soll, so angenehm wie möglich zu machen. Und das ist auch der nächste wichtige Punkt:

Schaffe eine Wohlfühlatmosphäre für entspanntes Stillstehen deines Pferdes

Je wohler sich ein Pferd da fühlt, wo es angebunden ist, desto schneller kann es auch entspannen und somit stillstehen. Schaffe am Anbindeplatz eine Wohlfühlatmosphäre:

  • Gib deinem Pferd immer am Putzplatz sein Kraftfutter. So verbindet es mit der Zeit diesen Platz mit dem Angenehmen des Fressens.
  • Ein sehr nervöses Pferd profitiert enorm von einem kleinen Haufen Heu: Daran kann es länger knabbern – und fressen beruhigt die Nerven. Zudem muss durch das Fressen am Boden das Pferd den Kopf senken, was wiederum Wohlfühlhormone ausschüttet.
  • Probier mal aus, ob dein Pferd Massagedecken gut findet. An Massagedecken wie z. B. von Bemer oder Accuhorsemat müssen sich Pferde zwar zuerst gewöhnen. Nach einer meist kurzen Gewöhnungsphase genießen es die Pferde sehr und kommen in eine Art Dämmerzustand. Teurere Massagedecken kann man heutzutage auch tageweise kostengünstig ausleihen.
  • Wenn du ein Solarium hast, ist das gerade im Winter natürlich goldwert: Deinem Pferd werden mittels Infrarotstrahlen die Muskeln sanft aufgewärmt und du selbst kühlst beim Putzen nicht aus 😉

 

Es ist keine Hexerei, einem Pferd das ruhige Stehenbleiben am Anbinde-/Putzplatz beizubringen. Meist müssen nur ein paar kleine Details verändert werden. Beobachte dein Pferd immer genau, damit du sofort eine Veränderung seines Stresslevels wahrnimmst. Sobald dein Pferd nur ganz kurz einmal ruhig stillsteht, lobe es so ausgiebig wie möglich: Belohne immer das, was du von ihm möchtest. Ignoriere das, was du nicht haben möchtest. Pferde lernen viel besser und schneller durch Erfolg und Lob als durch ständige Ermahnung und Strafe.

 

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